Schubladendenken. Ich musste in meinen 23 Jahren lernen, dass der erste Eindruck wirklich sehr entscheidend ist. Es geht so schnell und zack, bist du in einer Schublade. So lernte ich mal einen Typen kennen, schrieb mit ihm hin und her und für ihn war ich immer nur die „Partymaus“. Eine Bezeichnung, die eigentlich überhaupt nicht meinem Wesen gerecht wird. Klar, ich gehe gerne auf Partys, aber eben nicht so gerne, dass ich darauf reduziert werden könnte. So kam es aber, dass er mich nur immer wieder fragte, wann die nächste Party bei mir ist und ob ich heute feiern gehe. In seinem Kosmos machte ich wohl den Eindruck, als wäre Party mein Leben. Das es noch viel mehr gab, was mich aus macht und das vielleicht sogar viel wichtiger ist, schien ihn nicht zu interessieren. So beendete ich den Kontakt.
Andere Male wurde ich als das schüchterne Mädchen abgestempelt, nur weil ich bei der ersten Begegnung nicht sofort super offen war. Plötzlich wurden mir Eigenschaften zugeteilt, die eigentlich überhaupt nicht zu mir passen. Wie zum Beispiel, dass ich ruhig bin und anderen die Führung überlasse. Vielleicht hatte ich an dem Tag einfach keine Lust oder mir ging es nicht gut. Doch dann ist man eben nur noch das und nicht mehr.
Jetzt wo immer mehr Leute nach und nach herausfinden, dass ich einen Blog besitze, wird immer nur dieses Gesprächsthema bei mir angeschnitten. Wie läuft es? Wie viele Follower hast du? Kann man davon leben? Erzähl doch mal! Dabei ist es nicht das einzige, was ich in meinem Leben mache. Dass ich auch noch ein sehr interessantes Studium habe, interessiert niemanden mehr. Ich bin auf einmal nur noch die Bloggerin.
Ich lache viel und ich lache gerne. Ich bin gerne fröhlich und es gibt mir ein gutes Gefühl, andere glücklich zu machen. Daher lache ich auch gerne miteinander. Ich lache so gerne und so viel, dass mich Leute fragen, was mit mir nicht stimmt, sollte ich mal einen Tag nicht so fröhlich sein. Als würde ich jeden Tag lachen müssen. Als würde es nicht in Ordnung sein, mal einen Tag nicht zu lachen. Als würde ich nur diese eine Seite haben und schlechte Seiten gibt es bei mir nicht. Als würde ich nur das sein.
Ihr seht, ich bin vieles. Ich bin gerne auf Partys, bin auch manchmal schüchtern, ich lache gern, blogge und studiere gleichzeitig. Ich bin das alles und noch viel mehr. Es gibt nicht nur diese eine Seite von mir. Ich bin auch aufbrausend, wütend, störrisch, egoistisch, launisch, faul. Ich bin kreativ, motiviert, zielstrebig, musikalisch, erfolgreich, wild. Das alles kann ich sein und will ich sein. Ich will mich nicht reduzieren. Wieso sollte ich das tun? Ich will manchmal alles und manchmal nichts.
Ich steh auf Mädchendinge, lass mich von süßen Sachen begeistern. Ich steh auch auf HTML und PHP und lasse mich von Quellcodes begeistern. Ich mag DIY und Rezepte, aber ich mag auch schnelle Autos. Ich kippe nicht bei Blut, Spinnen oder Höhe um. Trotzdem kriege ich das Fangirl-Fieber bei tollen Bands und kann keine Horrorfilme sehen. Ich ziehe mich gerne schön an und schminke mich. Ich ziehe mich gerne gemütlich an und schminke mich nicht. Ich bin typisch Mädchen und ich bin überhaupt nicht typisch Mädchen.
Es ist frustrierend, wenn man sich für andere Seiten seiner Persönlichkeit rechtfertigen muss. Es ist frustrierend, in Schubladen gestreckt zu werden und zu wissen, dass man da nicht mehr raus kommt. Es ist frustrierend, immer beim ersten Eindruck versuchen zu müssen, das Beste von einem zu zeigen.
Ich bin ehrlich, auch ich erwische mich dabei, dass ich in Schubladen denke. Dass ich überrascht bin, wenn eine Person eine ganz andere Seite von sich zeigt. Dass ich mich selbst dabei ertappe, wie ich mich in meinen Vorstellungen über jemanden verrannt habe. Es ist ein ewiger Kampf. Ein Kampf, sich selbst immer wieder zu beweisen und zu zeigen, dass man auch anders sein kann. Und ein Kampf, sich immer wieder an das eigene Umdenken zu erinnern. Man hat das Schubladendenken so perfektioniert, dass es schon fast nicht mehr möglich ist, noch anders zu denken.
Dabei sind wir so viel und noch viel mehr! Fangen wir an, die Leute nicht zu reduzieren. Fangen wir an, offen zu sein und öfter mal an das und zu denken.
Danke.
Bis dann. Eure Laura
9 Kommentare
Sabine
28. Dezember 2015 um 13:36Liebe Laura,
ein mega schöner Beitrag! Leider komme ich erst jetzt dazu, ihn zu lesen, habe mir die Zeit aber gern genommen, weil ich schon Lina Mallons Artikel zu dem Thema grandios fand. Ich erlebe das auch immer wieder. Besonders beim Dating. Auf Tinder werde ich ständig sowas gefragt wie „Auf dem einen Bild siehst du eher casual aus und auf dem anderen ganz chic – trennst du da privat und beruflich?“. Da kann ich jedes Mal nur den Kopf schütteln, weil ich mich frage: WIESO denn nicht beides? Wieso denn nicht nach Lust und Laune?
xx
Julia // themagnoliablossom
13. Dezember 2015 um 16:53Oh ja! <3
Nerique
13. Dezember 2015 um 11:19Ein toller Spot! Wirklich großartig. Berührt richtig. Und Deine Bilder sind sehr hübsch.
Nerique