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Gedanken

Die Sache mit dem Schubladendenken

12. Dezember 2015
Die Sache mit dem Schubladendenken
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Schubladendenken. Ich musste in meinen 23 Jahren lernen, dass der erste Eindruck wirklich sehr entscheidend ist. Es geht so schnell und zack, bist du in einer Schublade. So lernte ich mal einen Typen kennen, schrieb mit ihm hin und her und für ihn war ich immer nur die „Partymaus“. Eine Bezeichnung, die eigentlich überhaupt nicht meinem Wesen gerecht wird. Klar, ich gehe gerne auf Partys, aber eben nicht so gerne, dass ich darauf reduziert werden könnte. So kam es aber, dass er mich nur immer wieder fragte, wann die nächste Party bei mir ist und ob ich heute feiern gehe. In seinem Kosmos machte ich wohl den Eindruck, als wäre Party mein Leben. Das es noch viel mehr gab, was mich aus macht und das vielleicht sogar viel wichtiger ist, schien ihn nicht zu interessieren. So beendete ich den Kontakt.

Andere Male wurde ich als das schüchterne Mädchen abgestempelt, nur weil ich bei der ersten Begegnung nicht sofort super offen war. Plötzlich wurden mir Eigenschaften zugeteilt, die eigentlich überhaupt nicht zu mir passen. Wie zum Beispiel, dass ich ruhig bin und anderen die Führung überlasse. Vielleicht hatte ich an dem Tag einfach keine Lust oder mir ging es nicht gut. Doch dann ist man eben nur noch das und nicht mehr.

Jetzt wo immer mehr Leute nach und nach herausfinden, dass ich einen Blog besitze, wird immer nur dieses Gesprächsthema bei mir angeschnitten. Wie läuft es? Wie viele Follower hast du? Kann man davon leben? Erzähl doch mal! Dabei ist es nicht das einzige, was ich in meinem Leben mache. Dass ich auch noch ein sehr interessantes Studium habe, interessiert niemanden mehr. Ich bin auf einmal nur noch die Bloggerin.

Ich lache viel und ich lache gerne. Ich bin gerne fröhlich und es gibt mir ein gutes Gefühl, andere glücklich zu machen. Daher lache ich auch gerne miteinander. Ich lache so gerne und so viel, dass mich Leute fragen, was mit mir nicht stimmt, sollte ich mal einen Tag nicht so fröhlich sein. Als würde ich jeden Tag lachen müssen. Als würde es nicht in Ordnung sein, mal einen Tag nicht zu lachen. Als würde ich nur diese eine Seite haben und schlechte Seiten gibt es bei mir nicht. Als würde ich nur das sein.

Ihr seht, ich bin vieles. Ich bin gerne auf Partys, bin auch manchmal schüchtern, ich lache gern, blogge und studiere gleichzeitig. Ich bin das alles und noch viel mehr. Es gibt nicht nur diese eine Seite von mir. Ich bin auch aufbrausend, wütend, störrisch, egoistisch, launisch, faul. Ich bin kreativ, motiviert, zielstrebig, musikalisch, erfolgreich, wild. Das alles kann ich sein und will ich sein. Ich will mich nicht reduzieren. Wieso sollte ich das tun? Ich will manchmal alles und manchmal nichts.

Ich steh auf Mädchendinge, lass mich von süßen Sachen begeistern. Ich steh auch auf HTML und PHP und lasse mich von Quellcodes begeistern. Ich mag DIY und Rezepte, aber ich mag auch schnelle Autos. Ich kippe nicht bei Blut, Spinnen oder Höhe um. Trotzdem kriege ich das Fangirl-Fieber bei tollen Bands und kann keine Horrorfilme sehen. Ich ziehe mich gerne schön an und schminke mich. Ich ziehe mich gerne gemütlich an und schminke mich nicht. Ich bin typisch Mädchen und ich bin überhaupt nicht typisch Mädchen.

Es ist frustrierend, wenn man sich für andere Seiten seiner Persönlichkeit rechtfertigen muss. Es ist frustrierend, in Schubladen gestreckt zu werden und zu wissen, dass man da nicht mehr raus kommt. Es ist frustrierend, immer beim ersten Eindruck versuchen zu müssen, das Beste von einem zu zeigen.

Ich bin ehrlich, auch ich erwische mich dabei, dass ich in Schubladen denke. Dass ich überrascht bin, wenn eine Person eine ganz andere Seite von sich zeigt. Dass ich mich selbst dabei ertappe, wie ich mich in meinen Vorstellungen über jemanden verrannt habe. Es ist ein ewiger Kampf. Ein Kampf, sich selbst immer wieder zu beweisen und zu zeigen, dass man auch anders sein kann. Und ein Kampf, sich immer wieder an das eigene Umdenken zu erinnern. Man hat das Schubladendenken so perfektioniert, dass es schon fast nicht mehr möglich ist, noch anders zu denken.

Dabei sind wir so viel und noch viel mehr! Fangen wir an, die Leute nicht zu reduzieren. Fangen wir an, offen zu sein und öfter mal an das und zu denken.

Danke.



Bis dann. Eure Laura

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9 Kommentare

  • Antworten
    Isabell
    13. Dezember 2015 um 11:00

    Danke, für deinen aussagekräftigen Beitrag. Ich wurde auch schon sehr oft in Schubladen gesteckt – und ja, als Blogger sowieso noch viel schneller – man macht dann ja nichts anderes mehr als (jetzt in meinem Fall) in der Küche zu stehen und zu backen. Und wenn ich dann davon erzähle, was ich sonst noch alles so mache, kommen teilweise fragende Blicke. Irgendwann ist es einem jedoch egal, wenn man in Schubladen gesteckt wird, da die wirklichen Freunde ja wissen, wie man wirklich ist und, dass noch mehr ist als eine der vielen Socken, die noch mit in die Schublade gesteckt wurden. 😀 😉
    Bleib einfach wie du bist und mache das was die Spaß macht.

    Liebste Grüße
    Isabell

  • Antworten
    sPOTTlight
    13. Dezember 2015 um 10:31

    Wow! Toller Post, du Liebe. Die Menschen machen es sich einfach oft sehr leicht. Wenn man in Schubladen denkt, musst man sich nicht mit der Komplexität eines Menschen auseinandersetzen, sondern konzentriert sich auf eine Sache. Alles andere wäre ja zu anstrengend -.- Das ist ja auch in vielen Jobs so: Bist du die „Schüchterne“ (obwohl das gar nicht so ist), hast du ja schon verloren. Es wäre toll, wenn die Menschen einfach weniger oberflächlich denken würden und sich mehr Zeit nehmen könnten, eine Person im großen Ganzen zu sehen <3 😉

  • Antworten
    Hanna
    12. Dezember 2015 um 23:10

    Das erinnert mich an die Bachelor-Abschluss Veranstaltung von meiner Schwester: Da kannte mich eigentlich keiner, aber den ganzen Abend wussten alle, wer ich war. Ich war nämlich „die mit dem Kind“ – weil wir es gewagt hatten meinen Sohn mitzunehmen, der dann vom Papa da abgeholt wurde. War auch sehr witzig. Manchmal kann man über solche Situationen einfach nur lachen.

  • Antworten
    Farina
    12. Dezember 2015 um 15:53

    Oh danke für diesen Post. Das kenne ich nur zu gut, in den verschiedensten Situationen. Dann bin ich DIE Mama, DIE Studentin, DIE Kopftuchfrau, DIE Bloggerin…so schade, weil dabei so viel verloren geht. Es tut aber gut, sich das immer wieder bewusst zu machen, um auch selbst bei anderen nicht den gleichen Fehler zu machen, und sie gleich auf einen Aspekt ihres Lebens zu reduzieren 🙂
    LG Farina

    • Antworten
      Laura
      12. Dezember 2015 um 18:46

      Ja und da sieht man ja schon allein an deinen Zeilen, wie vielfältig du bist! 🙂

  • Antworten
    Anna
    12. Dezember 2015 um 13:57

    Schön geschrieben! Und ich geb dir absolut Recht, wir sollten zum einen andere Leute nicht reduzieren – aber auch uns selbst sollten wir nicht in Schubladen stecken 🙂

    Liebe Grüße
    Anna
    http://www.einundzwanzigzwei.de

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